T610 Ton kaputt

Testaufbau

Der Bauer T610 Microcomputer Stereo, der Traum, das Topmodel, Flagship Product wie man es heute auf Neudeutsch nennt. Ich habe mir selber in den frühen 80ern die Nase am Schaufenster platt gedrückt und da waren schon viel Fettflecke von den Leuten die vorher da gestanden haben. Bot das Gerät doch alles was man sich so wünscht. Alleine der Name T610 Microcomputer, COMPUTER. Zu Zeiten als noch nicht in jeder Hosentasche ein Computer steckte mit mehr Rechenpower als Cape Kennedy zur Zeit der ersten Mondlandung, konnte man damit noch Menschen begeistern. Bei Licht besehen handelt es sich bei dem Computer nur um ein Zählwerk mit Sonderfunktion, aber trotzdem. Microcomputer… WOW.

Leider damals unbezahlbar teuer für die meisten. 2000 Mark oder so. Ich weiß es nicht mehr genau.

Mittlerweile sind 30 Jahre vergangen, der Traum ist auf hartem Boden der Praxis aufgeschlagen und hat Schaden genommen. Da ist er um nichts besser als alle anderen. Der Zahn der Zeit nagt auch am Microcomputer. Es gibt zwei Schwachpunkte die immer wieder kaputt sind: Der Greifer und die Elektronik. Hier soll von letzterem die Rede sein weil das andere ist ziemlich hoffnungslos.

Viele Verstärker sind tot. Die Sicherung auf der Platine ist durchgebrannt. Setzt man eine neue ein, brennt diese sofort wieder durch. Das liegt in 99% aller Fälle an den Kondensatoren, die hinter dem Gleichrichter die Versorgungsspannung glätten. Es sind zwei, von denen mindestes einer einen Kurzschluss hat. Am besten wechselt man direkt beide (die beiden grauen in Abbildung 1 links).

Ansicht von hinten

Abbildung 1:Kabelverbindungen an der Verstärkerplatine

Das ist schnell gemacht, da das Ende der Platine frei liegt und man unten gut zum Löten heran kommt. Wer einigermassen mit dem Lötkolben umgehen kann, kann diese Reparatur selber ausführen. Es kann nicht viel schlimmes dabei passieren, wenn man vorher den Netzstecker zieht.

Kürzlich erreichte mich jedoch ein Gerät mit der Fehlerbeschreibung “Ton brummt stark bei Wiedergabe der Hauptspur”. Ein erster Test zeigte, das der Fehler tatsächlich nur die Hauptspur betraf, die Hilfsspur lies sich fehlerfrei abspielen. Also tatsächlich ein echter Fehler in der Elektronik, in diesem Fall irgendwo im Vorverstärker. Die Endstufe war OK.

Die Vorverstärker liegen rechts auf der Platine unter dem Schirmblech. So sind die Bauteile gut vor Brummeinstreuung geschützt. Leider auch vor Zugriff. Daher muss die Platine vollständig ausgebaut werden. Der erste Eindruck mag manchen von einem solchen Eingriff abschrecken. Es ist aber gar nicht so schwierig wenn man weiß wie es geht. Daher möchte ich es hier beschreiben.

Zunächst baut man die Schwungscheibe aus. Diese ist mit einer Federscheibe und einen Sprengring auf der Welle gesichert. Beides kann man leicht mit einem Schraubendreher zur Seite herausziehen. Danach sollten alle Kabelverbindungen gelöst werden. Keine Angst, es sind nicht so viele wie es ausschaut und die meisten sind steckbar. In Abbildung 1 sind die Steckverbinder bezeichnet.

Stromversorgung: Dieses Kabel kommt direkt vom Transformator und versorgt den ganzen Verstärker mit Spannung. Da es sich um Wechselspannung handelt, ist die Polung des Steckers egal. Auf der Platine befindet sich eine Gleichrichter (der graue Kasten in Abbildung 1 ganz links).

Lampe: Eine kleine Glühbirne sitze vorne unter der Abdeckung und sorgt dafür das man im Dunkeln die Regler findet. Auch hier ist die Polung egal.

Zählwerk: Dieses Kabel führt zum Zählwerk ( COMPUTER ). Darüber kann die Tonaufnahme automatisch gestoppt werden. Der Stecker hat einen Zapfen welcher die Polung angibt. Er passt nur richtig herum rein.

Hinterband: Der T610 verfügt über einen zweiten Wiedergabekopf über welchen die laufende Aufnahme kontrolliert werden kann. Der zusätzliche Verstärker befindet sich auf einer kleinen Platine rechts im Gerät.

Löschkopf: Der Stecker für den Löschkopf ist schwer zu erreichen. Er kann auch abgezogen werden während man die Platine herausnimmt. Dann kommt man etwas besser heran.

Motorsteuerung: Dieses Kabel verbindet die Motorsteuerung mit der Buchse für externe Synchronisation welche auf der Verstärkerplatine sitzt.

Masse: Der Kabelschuh für das Massekabel sitzt oft recht fest. Es darf nicht am Kabel gezogen werden denn es reist leicht ab. Eine lange Spitzzange kann hier helfen.

Hinterbandkopf: Verbindet den Hinterbandverstärker mit dem Kopf. Zieht man hier beide Kabel ab, so muß man beim Zusammenbau da auf achten, das das Kabel vom Tonkopf nach hinten gehört. (siehe Bild). Die Stecker passen auch vertauscht nur funktioniert es dann nicht.

Schalter: Der Stecker sitzt auf der Verstärkerplatine und führt zum Hauptschalter. Dieser sorgt dafür das der Verstärker bei Projektorstopp abgestellt wird. Hier ist die Polung wieder egal da es sich wirklich nur um einen einfachen Schliesser handelt.

Ansicht von hinten

Abbildung 2:Diese Schrauben halten die Abdeckung über den Schaltern

Die Kabel für die Tonköpfe sind leider nicht gesteckt sondern gelötet. Aber dazu später mehr. Sind alle Kabel gelöst muss die Frontblende abmontiert werden. Dazu werden die in Abbildung 2 gekennzeichneten Schrauben und die Griffe an den sechs rechten Schiebereglern entfernt. Bei dem linken Schieber handelt es sich nicht um einen richtigen Schieberegler, sondern nur um einen verstellbaren Anschlag. Daher kann man dort auch keinen Knopf nach oben abziehen. Der Anschlag fällt beim Ausbau der Platine irgendwann von selber raus (Aufpassen: Wiedereinbau nicht vergessen).

Ansicht von hinten

Abbildung 3:Abdeckung entfernt

Sind die Knöpfe runter, kann man die Abdeckplatte vorne anheben und herausziehen. Jetzt liegen die Schalter links und die Schieberegler rechts frei und man kann die beiden Knöpfe unterhalb des Zählwerks abziehen.

Ansicht von hinten

Abbildung 4:Halteschraube für Platine

Die Platine ist mit drei Schrauben gesichert. Zwei befinden sich in der Nähe des Pegelinstruments (Abbildung 3). Die dritte ist im inneren mitten drauf (Abbildung 4). Ebenso wird der in Abbildung 1 bezeichnete Kabelhalter abgeschraubt. Das verschafft etwas mehr Bewegungsfreiheit da die Kabel so etwas länger werden.

Nachdem alle Schrauben entfernt sind, sollte die Platine lose sein. Man kann sie jetzt vorsichtig nach hinten heraus ziehen. Das ist nicht ganz einfach, da der Platz sehr eng ist, und die Platte dauernd irgendwo anstößt. Daher sollte man vorsichtig vorgehen und genau schauen wo es hängt. Insbesonders der Auslösehebel für den Aufnahmeschalter ist immer im Weg und muß zur Seite gedrückt werden.

Hat man die Platine raus, ist sie immer noch nicht frei, da die Kabel zum Tonkopf gelötet sind. Kleinere Arbeiten kann man jetzt bereits vornehmen. Allerdings ist die Gefahr groß das die verbliebenen Kabel abreißen. Daher sollte man sie besser auslöten. Leider liegt zumindest ein Kabel unter dem Schirmblech. Aber das muss sowieso runter wenn man an die Bauteile heran muss. Das Schirmblech ist an drei Stellen mit der Platine verlötet. Die Lötstellen werden mit einem Lötkolben bei großer Stufe erhitzt und mit einer Entlötpumpe abgesaugt. Danach kann man das Schirmblech herunter nehmen und man sieht ein zweites Schirmblech unter dem die Kabel verschwinden (Abbildung 5).

Ansicht von hinten

Abbildung 5:Auch das zweite Schirmblech muss runter.

Wer denkt sich so was aus. Zum Glück ist auch dieses nur mit drei Lötpunkten befestigt und genauso schnell runter wie das große. Jetzt liegen die Kabel frei und können entfernt werden.

Für weitere Tests und ei Reparatur sollte man die Platine in eine Befestigung spannen damit man sie von beiden Seiten gut erreichen kann und sie nicht dauernd umfällt. Davon geht sie nämlich kaputt. Zum Testen müssen drei Kabelverbindungen verlängert werden: Tonkopf, Lautsprecher und Spannungsversorgung. Die Lautsprecher im Deckel kann man mit einfachen Krokodilkabeln verbinden. Den Deckel legt man mit der Rückseite nach unten auf ein sauberes Tuch, damit er nicht verkratzt. Für den Tonkopf lötet man sich am besten eine Verlängerung an wobei ein abgeschirmtes Kabel ist hier nicht unbedingt notwendig ist. Die Versorgungsleitung kann man mit einfachen Kabeln und Pfostensteckern verlängern. Mehr braucht es nicht. Wenn alles ausschaut wie im Titelbild ganz oben kann der Projektor in Betrieb genommen werden. Vorsicht bei offenem Gerät: Am Schalter und am Trafo liegt Netzspannung an. An der Platine zum Glück nicht.

Defekte Lötstelle

Abbildung 7:Defekte Lötstelle

Die folgende Fehlersuche kann sich mehr oder weniger aufwendig gestalten. In meinem Fall stellte sich heraus, das der Fehler druckabhängig war. Also Platine biegen, Fehler weg Fehler da, Fehler weg… So etwas deutet auf eine gebrochene Lötstelle oder Leiterbahn hin. Hier hilft am besten ein gutes Auge und eine Starke Lupe weiter. Ich fand schließlich die Lötstelle in Abbildung 7

Der Draht des Bauteils hat keine sichere Verbindung mehr zum Lot. Hierbei handelt es sich um einen Produktionsfehler. Offenbar wurde nach der Lötung der Draht abgeschnitten wie man am Drahtende deutlich sehen kann. Bei Labormustern mag das OK sein, aber in der Serienproduktion ist das aus zwei Gründen verboten. Zum Einen siehe oben. Ist der Seitenschneider nicht mehr 100% scharf, was bei Serienproduktion schnell passiert, beginnt der Monteur zu reißen und beschädigt dabei die Lötung. Zum Anderen finden sich die abgeschnittenen Enden überall wieder. Zum Beispiel in Abbildung 8. Von hier bis zum Kurzschluss trennt uns nur ein bisschen hart gewordenes Flussmittel und der Lötstopplack, der an den Kanten auch recht dünn ist.

Drahtende

Abbildung 8:Beinahe Kurzschluß

Dies ist kein Ergebnis einer unsachgemäßen Reparatur sondern das Teil klebt seit der Produktion dort fest. Die Platinen wurden damals nicht von Flußmittel gereinigt sodaß solche Verunreinigungen leicht kleben bleiben konnten. So entzaubert sich der Traum der 80er an harten Fakten.

Zeigt das Gerät äußerlich Schäden von einem Sturz sollte man die Platine auf Haarrisse untersuchen. Auch diese äußern sich gerne in Wackelkontakten und können leicht repariert werden.

Da die Platine gerade raus war, habe ich noch ein paar halb tote Kondensatoren gewechselt und alles etwas gereinigt. Auch die Schalter kann man mit etwas Kontaktspray reinigen. Danach werden die Kabel zum Tonkopf wieder angelötet (Abbildung 9) und der Zusammenbau kann beginnen.

Drahtende

Abbildung 9: Anschluss der Kabel zum Tonkopf

Dieser erfolgt in umgekehrter Reihenfolge, wobei das Einsetzen der Platine ähnlich fummelig ist wie das herausnehmen. Man mag es kaum glauben, aber sie passt rein. Wie das allerdings in der Serienproduktion gemacht wurde ist mir völlig unklar. Nach heutigen Maßstäben ist das Gerät nicht produzierbar. Aber damals wurde ja auch noch nicht in China gebaut. Die Bilder können als Stütze dienen wenn man nicht mehr weiß welches Kabel wo gesessen hat.

Größere Reparaturen verlangen zumeist nach einen Schaltplan. Leider habe ich bisher vom T610 keinen finden können. Sollte also jemand einen solchen haben bitte melden. Ich würde ihn kopieren und scannen.

Das hier beschriebene Vorgehen betrifft nicht nur den T610. Alle Bauer Projektoren dieser Serie sind ganz ähnlich aufgebaut und man findet die gleichen Schrauben an den gleichen Stellen. Also einfach mal suchen. In diesem Sinne, Fröhliches Basteln.